Vier Fragen an Andreas Krüger


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Zunächst empfand ich die Entschleunigung als wohltuend, mit zunehmender Dauer dann als Herausforderung und zum heutigen Tag bin ich genervt und frustriert. Als darstellender Künstler vermisse ich am meisten den realen Austausch und Diskurs mit Freund*innen, Kolleg*innen und Zuschauer*innen. Videotelefonie ist einfach kein Ersatz für ein reales Treffen. Ich vermisse die Unbeschwertheit von Berührungen. Das schlägt ziemlich aufs Gemüt. Es frustriert mich auch, dass Branchen, wie beispielsweise die Kulturbranche oder die Gastronomie, so „abgestraft“ werden, obwohl sie sich im Sommer ernsthaft darum bemüht haben, Sicherheitskonzepte umzusetzen. Und dann sind da noch die Querdenker und Donald Trump und die ungerechte Verteilung von Kapital und die Internet-Kommentarspalten. Das kann einem schonmal den Tag versauen. Ich mach jetzt regelmäßig Yoga.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Ehrlich gesagt habe ich die Hilfspakete noch nicht in Anspruch nehmen müssen. Ich hatte großes Glück und konnte Rücklagen schaffen, die mich gerade über die Zeit bringen. Viele Kolleg*innen berichteten mir aber, dass die Hilfen in weiten Teilen Deutschlands nur mit viel Aufwand und äußerst bürokratisch zu erhalten waren und oft zurückgezahlt werden mussten. Als freier Schauspieler habe ich keine Ausgaben, die dort angerechnet werden könnten.
Das ist alles andere als unkompliziert. Ich bin heilfroh, mich damit nicht herumschlagen zu müssen. Noch. Ich hoffe, dass sich die Dinge durch die Impfung bis zum Jahresende einigermaßen normalisieren und Veranstaltungen zumindest mit sicheren Rahmenbedingungen wieder stattfinden können.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Ich denke, dass die Veranstaltungsbranche, sobald es wieder sorglos möglich ist, Veranstaltungen zu besuchen, einen Boom erleben wird. Die Menschen sehnen sich nach Kultur. Ob „sorglos“ jemals wieder möglich sein wird, bleibt die andere Frage. Leider sind bereits viele Existenzen ruiniert, Clubs geschlossen, Veranstalter pleite. Ich frage mich, wer in Zukunft noch den Mut dazu haben wird, sich im Bereich Kultur beruflich anzusiedeln. Wird es ein Post-Corona-Vakuum in unserer Branche geben? Es war vorher schon prekär. Jetzt ist es im Grunde aussichtslos. Es braucht aktuell geradezu absurden Mut und Grundvertrauen, sich für eine Karriere als Kulturschaffende*r zu entscheiden. Ich befürchte daher, dass die jetzige Situation einige, die in der Kunst und Kultur gelandet wären, abschrecken wird. Ich würde das verstehen, aber eben auch sehr bedauern. Wir brauchen daher dringend Konzepte, damit die Kunst und die Kultur, die Brutstätte unserer philosophischen, ethischen, moralischen und intellektuellen Wurzeln sind, nicht nachhaltig zerstört werden.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Die Pandemie verlangt von allen sehr viel ab, allen voran den Politiker*innen. Ich glaube, diese tragen gerade eine sehr große Verantwortung, um Lösungen für Probleme zu finden, welche die Welt in diesem Ausmaß nur selten bzw. noch nie gesehen hat. Ich bin froh, nicht in deren Haut zu stecken. Es allen recht zu machen, scheint mir in dieser Situation nahezu unmöglich. Aber ich habe auch klare Erwartungen an die Politik: ich wünsche mir die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens. Eine soziale Politik, die Institutionen in Bildung und Kultur nicht nur als Subventionsbetriebe ansieht, sondern ihre unabdingbare Notwendigkeit ernst nimmt. Eine Politik, die sich mehr an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und weniger am Wirtschaftswachstum.
Ich zitiere hier mal Richard von Weizsäcker, der das präzise auf den Punkt bringt: „Kultur kostet Geld. Sie kostet vor allem deshalb, weil der Zugang zu ihr nicht in erster Linie durch einen privat gefüllten Geldbeutel bestimmt sein darf. (…) Substanziell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe des öffentlichen Haushaltes zu sein als zum Beispiel der Straßenbau, die öffentliche Sicherheit oder die Finanzierung der Gehälter im öffentlichen Dienst. Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich ‚Subventionen’ nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subventionen zu bezeichnen. Der Ausdruck lenkt uns in eine falsche Richtung. Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert.“