Vier Fragen an Michael Bronczkowski


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Diese Zeit ist ein purer Balanceakt. Es gibt viele Entscheidungen und vor allem ständig neue Informationen, die einem viel abverlangen. In diesen Zeiten ist für mich das Arbeitspensum absurderweise sehr hoch, hauptsächlich dadurch bedingt, dass sich viele Projekte und Auftragsarbeiten etc. entweder verschieben, überlappen, spontan dazukommen oder doch wieder vorgezogen werden. Die Tage sind lang und ich bin permanent am Arbeiten und Jonglieren. Unser Wohnzimmer wird oftmals zum Tanzstudio, in dem ich online unterrichte oder Choreografien für Theater ausarbeite. Ich habe lernen müssen, meine Grenzen gut abzustecken, um diesen ungewissen Zeitraum solange wie verlangt gut durchzustehen.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Anfangs möchte ich auf das "auch" aufmerksam machen. Es impliziert, als sollte man dankbar sein auch etwas abzubekommen. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass der Kunstsektor ähnlich unterstützt wird, wie z.B. ein Industriebetrieb. Die Schwierigkeit für mich sind die Bedingungen, die an die Hilfspakete angekoppelt sind. Es gibt keinen gleichen freischaffenden Künstler, somit ist es schwierig, allgemeine Bedingungen zu stellen. Viele fallen dadurch durchs Raster. Als freischaffender Künstler liegt die Arbeitswelt aufgrund der Situation brach. Teils war es so, dass ich finanziell mit vier großen Projekten eine ganze Spielzeit auskam. In der jetzigen Situation sind einige von heute auf morgen erstmal auf ungewisse Zeit eingefroren bzw. schon komplett gestrichen. So etwas wie eine befristete Grundsicherung für freischaffende Künstler, basierend z.B. auf den steuerpflichtigen Einkommen des vorherigen Jahres, wäre da essentiell. Es ist mir ein Rätsel, warum es in anderen Branchen funktioniert. Die verrichtete Arbeit ist im Vergleich zu anderen Branchen der Arbeitswelt nicht weniger zeitintensiv. Und sie ist außerdem unterbezahlt. Dies ist das Hauptproblem, vor dem nun viele freischaffende Künstler stehen. Wenn eine unterbezahlte Arbeit wegfällt, geht es direkt an die Existenz. Ich selbst habe noch kein Hilfspaket beantragt, da ich es noch nicht brauche. Es gibt derzeit freischaffende Künstler, die es dringender brauchen als ich.  

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Die Pandemie ist für jeden Einzelnen ein Einschnitt ins Leben. Jetzt kommt zu Tage, was schon seit geraumer Zeit ein Problem ist - die Kulturlandschaft wird nicht zusammen mit den freischaffenden Künstlern gestaltet und geprägt. Es gibt da ein Kommunikationsproblem. Es besteht kein funktionierendes Netzwerk, in dem die freischaffenden Künstler und die Kulturpolitik im Austausch sind, in dem auch mal gefragt wird: "Was braucht ihr, um eure Kunst zu präsentieren?" Woher will man wissen, was jemand braucht, wenn man ihn/sie nicht fragt?
Ich bin mir sicher, dass die Kulturlandschaft nachhaltig davon Einbußen tragen wird. Viele Künstler werden notgedrungen die Kultur nun hinten anstellen müssen oder gar aufgeben müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Kultur ist kein Luxusgut, das man hier und da mal mehr und weniger braucht. Pflegt man sie nicht, versickert diese Landschaft.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Ich wünsche mir nach wie vor, dass dieser Umbruch eine Chance wird, die Kulturlandschaft positiv und zum Besseren zu bewegen. Ich erhoffe mir, dass man mehr zusammenkommt, zuhört, sich austauscht und ein funktionierendes Netzwerk - eine Infrastruktur - für die Kulturlandschaft schafft.


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