Vier Fragen an Kristina Merkle


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Persönlich fehlt mir derzeit in dieser Reihenfolge am meisten:

  • Das kulturelle Erlebnis und die geistige Anregung eines Theaterbesuchs
  • der Kontakt zu den Künstlern und der Austausch mit dem Publikum, der bei uns im Theater immer möglich ist
  • und die gemeinsamen Helfer-Einsätze im Theater mit anderen Vereinsmitgliedern an der Theke oder bei der Abendspielleitung, da macht ehrenamtliches Engagement richtig Spaß.

 Als ehrenamtliche Kassenverwalterin habe ich derzeit leider auch deutlich weniger zu tun. 2019 hatten wir noch 136 Veranstaltungen im Zimmertheater, also alle 2 bis 3 Tage eine Vorstellung. 2020 waren es nur 60, davon 30 vor und 30 nach dem ersten Lock-down. Weniger Vorstellungen bedeuten weniger Abrechnungen, aber auch weniger Gagen für die Künstler, die als Ensemble regelmäßig bei unseren Eigenproduktionen auftreten und für die, die mit ihren Programmen bei uns zu Gast sind.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Wir haben im ersten Lockdown vor allem tolle Unterstützung von der Stadt Speyer erhalten. Die wichtigste davon, ist die Möglichkeit in der Heiliggeistkirche auftreten zu können. Mit dem dort umgesetzten Hygienekonzept konnten wir fast ebenso vielen Zuschauern einen Platz bieten, wie vor Corona im Zimmertheater. Zusätzlich gewährte uns die Stadt finanzielle Hilfe, die wir für die Umrüstung der Kirche in eine für uns geeignete Spielstätte genutzt haben. Darüber hinaus haben wir bisher keine offiziellen Hilfspakete erhalten. Wir hoffen, dass wir bei der Novemberhilfe des Bundes dabei sind.
Was uns allerdings als großartige Hilfe erreicht hat, war die unfassbare Solidarität unserer Mitglieder und Zuschauer in Form von erhöhten Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Wir haben diese Mittel eins zu eins an unsere Künstler, deren Situation teilweise zunehmend schwierig wird, weitergereicht. Wir sind als gemeinnütziger Verein nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet und haben in den vergangenen Jahren ein paar Rücklagen bilden können. Darüber hinaus sind unsere Fixkosten glücklicherweise einigermaßen überschaubar. Unser Ziel ist es die Künstler, die bei uns auftreten vernünftig zu bezahlen und dafür werden wir in der Branche auch Wert geschätzt. Wir betrachten es als unsere Aufgabe, gemeinsam mit den Künstlern gut durch die Krise zu kommen.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Ein Theater wie unseres könnte nicht besser in die Kulturlandschaft einer Kleinstadt wie Speyer passen. Unser Programm bietet auch Stücke, die wir ohne die Unterstützung des Landes nicht produzieren könnten. Wie z.B. das Stück Gift von Lot Vekemans im vergangenen Jahr. Die Zuschauerzahlen lagen hier unter dem Durchschnitt aller Veranstaltungen, aber das Stück war zu Recht, das Theaterstück des Jahres 2019 in Speyer, weil es ein Thema anspricht, das gerne in einer Spaßgesellschaft weggedrückt wird. Auch im kommenden Jahr haben wir wieder Landesmittel für die Produktion eines besonderen Stückes beantragt. Ob wir diese erhalten werden ist noch ungewiss und leider gibt es grundsätzlich im freien Theater kaum Sicherheit.
Natürlich möchten wir 2021 unser Theater wieder aufsperren und regelmäßige Veranstaltungen anbieten. Es gibt aber eine Schmerzgrenze, was die Mindestanzahl an Zuschauern für eine Veranstaltung betrifft, damit wir wirtschaftlich überlebensfähig bleiben.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Prioritäten für Politiker mit den zunehmenden wirtschaftlichen Problemen, die die Pandemie möglicherweise im nächsten Jahr mit sich bringt, nicht verschieben. Erfahrungsgemäß gehört die Kultur zu den Bereichen, wo man am Einfachsten kürzen kann. Wenn die Stadt Speyer in Zukunft zwischen der Zahlung von Grundsicherung und dem Kulturetat wählen müsste, glaube ich zu wissen, wie die Wahl ausfällt. Ich wünsche mir, dass dies nicht geschieht und wir den Wert und die Errungenschaften, die wir in Deutschland in unserer freien Kunst- und Theaterszene haben, erhalten bleibt.
Glücklicherweise erheben viele Betroffenen derzeit ihre Stimme gemeinsam und machen auf ihre Situation aufmerksam. Die Stadt unterstützt uns dabei.


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