Vier Fragen an Margarete Stern


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Zu Beginn der Krise dachte ich, das sei eine vorübergehende Sache. Aber schon nach kurzer Zeit wurde mir klar, dass da ein großes umfassendes Problem auf uns zukommen wird. Ich glaube, dass es sogar absehbar war, dass wir mit solch einer Katastrophe, die auch wegen einer irrsinnigen Wachstumspolitik geradezu gemacht wurde, rechnen mussten. Mein künstlerisches Schaffen gibt mir den nötigen Halt, um diese Krise emotional zu überstehen. Ich bin es gewohnt, viel allein in meinem Atelier zu sein. Deswegen fällt mir die Kontakteinschränkung nicht allzu schwer. Allerdings ist die Ungewissheit, das Getrennt sein von geliebten Menschen und die damit verbundenen Sorgen auch lähmend und zermürbend.
Insgesamt sehe ich diese Krise aber auch als Chance für mich, die Menschen um mich herum und im Allgemeinen, um den Alltagstrott, die teilweise übersteigerte Genusssucht und das Überangebot an Kultur auf das Wesentliche zu reduzieren, um wieder zu sich zu kommen. Verzicht bedeutet eben nicht gleichzeitig Verlust, sondern Überflüssiges erkennen und das Wesentliche im Fokus haben. Gewissermaßen eine bewusste Entschleunigung, um mehr Ruhe in meinen Kopf zu bekommen und zu erkennen, wer bin ich eigentlich?

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Hilfsangebote musste ich glücklicherweise nicht in Anspruch nehmen. Ich habe Kunstpädagogik studiert und neben meinem malerischen Schaffen den Beruf ausgeübt.  

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Die Situation ist vor allem für freischaffende Künstler sehr, sehr schwer. Viele hatten nicht die Möglichkeiten Rücklagen zu bilden. Durch die Absage von Veranstaltungen und die Schließung von Kultureinrichtungen konnte sich ein Großteil der Künstler nicht mehr in der Öffentlichkeit betätigen, bzw. ihre Kunst präsentieren.  Es wird wohl so sein, dass viele Künstler aus dem Kulturleben verschwinden werden. Ich denke, viele Kunstschaffende sind jetzt auch gezwungen, mit neuen Medien neue Wege zu entdecken und einzuschlagen.
Ich glaube aber nicht, dass das Interesse an Kunst und Kultur bei der Bevölkerung verschwindet. Beides ist wichtig und existentiell für den Menschen, der sich mittels der Kunst bewusst oder unbewusst mit lebensnotwendigen Fragen auseinandersetzt. Die Kunst verstärkt sozusagen die Erkenntnis über das Wahre und die Utopie. Kunst, und damit meine ich das ganze Spektrum, ist aber auch wohltuende Zerstreuung und Ablenkung vom Alltag. 
Die Kulturszene in Deutschland, übrigens mit einem recht hohen Bruttoumsatz, ist eine der umsatzstärksten Branchen in Deutschland, das sollte man nicht vergessen.
Der Verlust der Vielfalt in der Kulturszene und der vielen freien Künstler wäre für die Städte, Festivals und Veranstaltungen eine Katastrophe. Ohne diese Menschen, die seit Jahren immer wieder aufs Neue ihre Energie, Kreativität, Kraft und Zeit opfern, anderen Menschen etwas mitzugeben, wären wir um ein großes Stück ärmer.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Die Politik unterstützt die Theater, Opern- und Konzerthäuser, Museen und Kinos, Musikschulen und einzelne Künstler mit Milliarden. Allerdings gehen die Meinungen auseinander, inwieweit das alles greift und gerecht verteilt wird. Nicht nur der Bund, auch die Länder und Kommunen sollten übrigens in dieser Zeit vermehrt Kunst von Galerien und Künstlern direkt kaufen. Somit haben sie einen materiellen Gegenwert, und die Künstler hätten eine gewisse Bestätigung, um den Mut nicht zu verlieren.


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