Vier Fragen an Matthias Folz


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Nach dem ersten Lockdown war ich mit Absagen und Umplanungen bzgl. des 30.Theatergeburtstages im März beschäftigt. Terminierte Produktionen im ursprünglichen Jahresspielplan mussten geändert und teilweise neu besetzt werden. Zeitgleich verschoben sich die Arbeitsschwerpunkte in Richtung Antragsstellung und Einholung von Informationen über Corona spezifische Förderprogramme.
In diese Phase der Theaterschließung fiel dann auch noch der Umzug und die Neueinrichtung des grundsanierten Alten Stadtsaales, sowie die Planung und Realisierung der eingeschränkten Wiedereröffnung der Spielstätte im September.
Positiv: Das Kinder- und Jugendtheater konnte als außerschulischer Lernort Anfang Dezember 2020 ein auf zwei Schulklassen reduziertes Weihnachtsprogramm anbieten: Glückliche Momente für das Ensemble und unser junges Publikum.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Die Existenz des Kinder- und Jugendtheaters, sowie die institutionelle Absicherung der drei Teilzeitstellen und des Veranstaltungstechnikers waren ja gewährleistet. Die Hilfspakete haben die technische Ausstattung auch hinsichtlich der Digitalisierung und Möglichkeiten zur Aufzeichnung und zum Streaming der Arbeit verbessert. So können wir im Theater gesichert das Licht einschalten und eine leere Bühne streamen. Denn das Ensemble und das komplette künstlerische Personal besteht aus Soloselbstständigen, die derzeit aus RLP und BW kommen. Die Kolleginnen und Kollegen müssen sich also selbst um ihre wirtschaftliche Existenz kümmern, sind auf spezifische Förderprogramme ihres Bundeslandes angewiesen. Und die sind bekannterweise unterschiedlich in ihrer Wirksamkeit und Größenordnung.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Mit der Existenzkrise vieler Kulturschaffenden hat sich vielleicht das Bewusstsein entwickelt, zusammen in einem Boot zu sitzen. Eine erneute und längst fällige Diskussion über Systemrelevanz und Wertigkeit von Kultur wird mal wieder öffentlich geführt. Konsequenzen?? Bedenklich finde ich die gesellschaftliche Entwicklung, dass soziale Nähe als gefährlich oder ansteckend empfunden wird. Die kulturellen Versammlungsstätten (mit Hygienekonzepten) sind doch einige der letzten Orte eines menschlichen Austausches und gemeinsamen Diskurses über Zukunftsmodelle und Perspektiven, fast schon „Relikte aus einer vergangenen Zeit“. In einem Theater können Sichtweisen gewechselt, Standpunkte verhandelt werden, Visionen und Träume entstehen, Geschichten erzählt werden….als Gegengewicht zu einer digitalen Gesellschaft von isolierten Individuen ohne Ansteckungsrisiko.
Ein Schüler nach dem Besuch des Weihnachtsstückes „DAS LETZTE SCHAF“ im Kinder- und Jugendtheater: „Danke, das war ein toller Film. Kann ich das nochmal bei YouTube sehen?“ Ich freue mich über die Begeisterung, … komme aber ins Nachdenken.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

- Engagement in genau diesen vorher genannten Punkten.
- „Höhergruppierung“ von kultureller Arbeit und Wertschätzung.
- Neuerteilung und Überdenken der Fördersituation bzgl. der kulturellen Mittel.
- In den Haushaltsplänen auch der Länder eine neue Gewichtung der Finanzausgaben in Bezug auf die kulturellen Einrichtungen.
- Kultur sofort als Pflichtausgabe und nicht mehr als freiwillige Leistung.
- Stärkung der mittleren und kleineren Einrichtungen in Relevanz zu den hoch subventionierten Leuchttürmen.


Mehr über das Kinder- und Jugendtheater Speyer