Vier Fragen an Reinhard Ader


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Die Corona-Krise erlebe ich mit völlig verschiedenen Emotionen, da sie sich in ganz extremen Gesichtern bzw. Auswüchsen zeigt:
Da ist das Leid der erkrankten Menschen, die bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit sich einsetzenden Pfleger*innen und Ärzte, die vielen Toten und der Schmerz der Angehörigen, die Unfassbarkeit dieses Virus, der über uns (die Menschheit) hereingebrochen ist.
Gleichzeitig erlebe ich diese unglaubliche Ignoranz, das Leugnen, diesen bodenlosen Egoismus von Mitmenschen, der seinesgleichen sucht. Das macht mich so wütend und unfassbar traurig ob dieser Dummheit, dass ich das kaum in Worte zu fassen vermag. In dieser Krise zeigt „Der Mensch“ einerseits sein fürsorgliches, vernünftiges und besonnenes Gesicht, aber auch seine egoistische Konsumenten-Fratze, die jegliche Mitmenschlichkeit vermissen lässt. Das sind harte Worte, aber leider scheint der Mensch in Krisen-Situationen so zu funktionieren. Wir sehen es in der großen Politik: „Amerika first“, oder: Ich bin mir selbst der Nächste. Ich kann nur hoffen, dass sich letztlich doch die Vernunft und ein „Ich-Sehe-Dich-Und-Fühle-Mit-Dir“ durchsetzt …
Und noch etwas: Die Ruhe! Beim ersten Lockdown im Frühjahr hatte ich das Gefühl, die Zeit bliebe stehen und doch hat gleichzeitig überall alles begonnen zu wachsen und zu blühen! Was schert sich die Natur! Der Mensch war plötzlich so „bedeutungslos“! Auch jetzt hoffe ich, mit dieser fast körperlich wahrnehmbaren Stille, dass wir wieder runter kommen, uns auf Wesentliches besinnen.
Mein Alltagsleben ist sehr reduziert, fast kann man es sparsam nennen, zurückgezogen und vorsichtig im Umgang mit anderen. Gleichzeitig habe ich als Vorsitzender des Künstlerbundes Speyer so viel zu tun, sei es eine digitale Mitgliederjahresversammlung vorzubereiten, oder die zur Zeit leider nur digital zu besuchende Ausstellung „Gimme Shelter“ zu begleiten, Anstöße, Lebenszeichen, „moments“ auf Instagram und der Homepage des Künstlerbundes zu geben, - was selbstverständlich nicht die körperliche und haptische Wahrnehmung ersetzen kann - uns nicht vergessen machen lassen, lebendig bleiben. Das erfordert so viel Zeit und Kraft, dass ich kaum zu meiner eigenen künstlerischen Arbeit komme, wobei ich doch so viele Ideen im Kopf habe. Ich muss die Zeit dazu regelrecht finden.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Ich selbst bin glücklicherweise auf die Hilfspakete nicht angewiesen, habe auch keine beantragt. Den Mitgliedern des Künstlerbundes gebe ich Informationen, die ich z.B. vom BBK, vom Kultusministerium oder der Stadt Speyer erhalte, weiter. Da müssen die Betroffenen selbst aktiv werden. Ob und wie die Unterstützungen und Fördermaßnahmen ankommen, kann ich nicht beurteilen.
Was ich überhaupt nicht gut fand, unlogisch und absurd, waren die Fördermaßnahmen der Bundes- / Landesregierung, für die das Einkommen vom November 2019 zugrunde gelegt wurde. Das ist für Künstler völlig realitätsfern: Es gibt Wochen, Monate, in denen ich überhaupt nichts verdiene, – Welcher Künstler hat denn jeden Monat eine Ausstellung mit gutem Verkauf ? - dann kann es wiederum passieren, dass mal ein Erfolg zu verzeichnen ist. Das ist ein sehr unbeständig wechselndes Geschäft. Jeder Künstler kann ein Lied davon singen! Hier hätte die Bundesregierung mindestens von einem durchschnittlichen Jahres- oder sogar Fünfjahreseinkommen ausgehen müssen, um es für Fördermaßnahmen zugrunde zu legen. Diese Realitätsferne kann ich nicht verstehen!

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Sagen wir es mal ganz nüchtern – ich möchte wirklich niemandem auf die Füße treten – wir tanz(t)en auf dem Krater eines Vulkans. Völlig ausgelassen und hemmungslos haben wir konsumiert, in jeglicher Richtung! Wer hat denn die vielen Events, Ausstellungen, (Freizeit-)Angebote denn noch bewältigen können, ohne sich zu zerreißen. Meine Meinung war und ist dazu, dass ein Weniger oft ein Mehr ist. Der Kunstinteressierte sollte sich nach Kunst „sehnen“ und nicht aufgrund des Überangebotes ihrer überdrüssig werden!
Gucken wir in die Vergangenheit, als ein Rembrandt mittellos und verarmt starb, weil er einerseits den Kunstgeschmack des damaligen Publikums nicht mehr traf und weil es im 17. Jahrhundert schon ein völlig aus den Fugen geratenes Überangebot an Kunst gab, das vom damaligen Bürgertum nicht mehr durch Ankäufe zu bewältigen war. Im 19. Jahrhundert nicht anders: Hier entstand die romantisch-verklärte Mär vom „armen Künstlergenie“.
Ich bezweifle, falls die Krise weiter anhält, dass durch stetige Fördermaßnahmen der kulturelle Betrieb, wie er in der Vergangenheit sich darstellte, zukünftig beibehalten werden kann. Wir müssen lernen, unsere Ansprüche etwas herunter zu fahren, vernünftiger zu sein! Das ist leicht gesagt, für den Ein oder Anderen sehr schwer zu ertragen. Aber es ist Realität!

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Falls es eine Zeit „nach“ Corona überhaupt gibt: Das, was die Politik „während“ Corona in weiten Bereichen m. E. vermissen ließ: Klarheit! Konsequente und klar für jedermann verständliche Regeln des Miteinanders. Genauso wie Verkehrsregeln, die das Verhalten des Verkehrsteilnehmers vorschreiben, um ihn selbst und andere möglichst zu schützen. Ich hoffe inständig, dass dieses andauernde „populistische“ Hin- und Herschwenken, wie ein Schilfrohr im Wind, endlich aufhört. Jede Erziehung ist schlecht, die keine klaren Grenzen setzt. Die Freiheit des Einzelnen muss sich immer daran messen lassen, wo sie den Anderen, den Mitmenschen, beeinträchtigt. Politik, gerade in Krisenzeiten – das wissen wir doch! – darf sich nicht in parteipolitischem Lobbyismus ergehen, weil sie dadurch die Krise verschlimmert, anstatt sie abzumildern. Im Setzen von klaren Regeln zeigt sich, ob ein Politiker „stark“ ist (nicht autoritär, sondern Autorität), oder ob er einem dümmlichen Mainstream hinterherhinkt. Die Politik sollte mutig und nicht ängstlich sein, sonst wird sie den Extremisten, den Ignoranten und der Dummheit Tür und Tor öffnen!


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