Vier Fragen an Udo Sailer


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Ich habe durch diese Pandemie gelernt, dass Durchatmen nichts Selbstverständliches ist und wir dankbar für jeden nicht verseuchten Liter Luft sein müssen. Die Krise erlebe ich als eine Zeit des Besinnens auf das Wesentliche, nämlich meine Frau, die Familie, den Hund und unser aller Gesundheit. Wir gehen nur aus dem Haus, um Lebensmittel einzukaufen und täglich aus naheliegenden Gründen mit dem Hund in den Wald. So können wir uns und andere schützen. Die Telefongespräche mit Freunden werden deshalb länger und der Alkoholkonsum ist bei null angelangt - ohne lustige Runde will alles nicht so recht schmecken.
Aber ich schreibe an einem neuen Buch, komponiere, übe viel Klavier und Orgel (dank der senilen Bettflucht) und mache Onlinevertrieb und -promotion. Ab und zu kommentiere ich unnützes Zeug in Facebook. Mir ist keinen Moment langweilig. Dennoch fehlen mir die Auftritte vor Publikum mit anderen Musikern sehr. Mit ein paar bekannten, exzellenten Kollegen aus Speyer und Umgebung wird es nach Corona ein interessantes Projekt geben. Wir haben ja genug Vorlaufzeit für die Planung. Telefonisch sind wir uns schon einig, fehlt nur noch der Handschlag. 

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Bei den Bands, mit denen ich spiele, gab es sehr viele Absagen von Auftritten. Die Verträge wurden einfach gekündigt. Betrifft N.S.A., Art2Be, LY-SA, Gordon Blue, Die üblichen Verdächtigen und viele Projekte, bei denen ich als Session-Musiker mitspiele. Vor dem Lockdown habe ich selbst einige Events gecancelt, die in geschlossenen Räumen stattfanden. Als Risikogruppenbetroffener war das für mich die einzig vernünftige und gesunde Maßnahme.
Zum Glück muss ich aber meinen Lebensunterhalt nicht mit Livemusik verdienen wie viele meiner Mitstreiter. Deshalb nein, für mich muss es nicht funktionieren, aber ich leide mit den Kollegen, die wirklich mit dem Rücken zur Wand stehen, ohne Aussicht auf Hilfe. Ich kenne niemanden, bei dem die Hilfspakete, sofern sie überhaupt angekommen sind, auch nur annähernd den Niedergang verhindern konnten. Wenigstens die Stadt Speyer hilft, wo sie nur kann im Rahmen ihrer Möglichkeiten, insbesondere der Speyer.Kultur.Support.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Die Branche wird wahrscheinlich ausgedünnt werden und vermutlich sinken auch die Gagen nochmal, obwohl sie schon vor Corona mit „Geiz ist geil“ belegt waren. Die großen Konzerte und Festivals wird es wieder geben, aber die Clubszene hat jetzt schon viele Federn gelassen und gibt ein trauriges Bild ab. Wie sich das auf die Zukunft auswirkt, bleibt abzuwarten. Wir können nur hoffen, dass die Maßnahmen der Regierung keine Komplettrodung der Kulturlandschaft verursacht haben. Eines ist mir mehr denn je bewusst geworden: Auftritte sind kostbar, ideell und materiell. Man darf sie nicht verschleudern.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

  • Fairness, Weitblick, Toleranz
  • Weniger Wahlkampf und mehr Zeit für die eigentlichen Aufgaben
  • Workshop als Pflichtveranstaltung für Politiker mit dem Thema: Kultur, die drittstärkste Wirtschaftsmacht
  • Empathische Entscheidungen für die Kulturbranche und respektvollere Behandlung der Ausübenden
  • Verlässliche Aussagen


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