Vier Fragen an Martin "Stuff" Hug


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Ich beziehe mich hier rein auf mein Dasein als Künstler, bzw. aktiver Musiker, da ich als ausgebildeter Musikpädagoge mit 3 Schulfilialen noch ein 2. Standbein besitze. Ich hatte mit der Band "One Eyed Jack" in diesem Jahr genau einen (!) Auftritt, der dazu noch nur durch das Engagement der Stadt als Veranstalter online stattfinden konnte. Dafür kann man dankbar sein, es rettet Musikern, die lediglich mit Live-Auftritten leben müssen, jedoch nicht die Existenz. Da durch verschiedene Maßnahmen auch die Proben nicht stattfinden können, vermisse ich diesbezüglich den Kontakt zu den Mitmusikern sehr. Ich habe das mal so beschrieben: Proben ist wie eine Therapie - du gehst nach der Arbeit abgespannt hin, lederst ein paar Songs ab, holst deine kreative Ader raus, trinkst ein paar Bierchen mit den Jungs und babbelst noch ein bisschen blödes Zeug...dann gehst du entspannt und zufrieden nach Hause... Das fehlt mir wirklich! Und natürlich das Geprobte dann auch auf der Bühne präsentieren zu können und den Gästen Freude zu schenken - was einen ja dann auch wieder selbst freut.
Auch sind die nicht stattfindenden Proben und Auftritte eine Motivationsbremse, denn wozu etwas üben, wenn es ja ohnehin nicht aufgeführt werden kann. Lediglich was meine Aktivität an der klassischen Gitarre anbelangt, habe ich etwas mehr getan als sonst möglich.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Die aufgelegten Hilfsprogramme haben für mich alle nicht gegriffen, da ich mit meiner Musikschule einen Großteil meines Umsatzes, dank auch der vielen verständnisvollen Schüler*innen und Eltern, weiter erwirtschaften konnte.
Jedoch den vielen freischaffenden Solo-Selbstständigen und Künstler*innen einfach zu sagen, sie sollen doch einfach Arbeitslosengeld beantragen, halte ich bis heute für eine Unverschämtheit. Es zeigt meiner Ansicht nach, wie wenig diese Arbeit wertgeschätzt wird und verkennt die soziale und geschichtsethische Bedeutung von Kunst: ist es nicht ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der Menschheit gewesen, dass er kreativ wurde und damit sein Umfeld und seine zwischenmenschlichen Beziehungen formte?

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Es ist wohl leider davon auszugehen, dass so manche Künstler*innen diese Zeit der Pandemie nicht in ihrem ursprünglichen Berufsfeld überleben werden und sich mit anderen Jobs oder gar einem Berufswechsel werden abfinden müssen... Vielleicht gelingt es manchen später zurückzukehren, aber einige werden dies nicht schaffen. Und nicht nur kurzfristig wird sich die Anzahl der beruflich tätigen Künstler*innen verringern, einige werden es sich überlegen, ob es nicht besser ist, einen "ordentlichen" Beruf zu erlernen - denn damit kommen wir zu einer weiteren Auswirkung:
Ich weiß von einigen, dass sie ihre Altersrücklagen aufgebraucht haben, um in dieser Zeit zu überleben. Nicht nur, dass ihnen dieses Geld später fehlt, auch ihre Rentenansprüche sind meist gering, so dass sie sich später (wie leider mittlerweile immer mehr Menschen) Unterstützung vom Staat werden holen müssen...das empfinde ich als demütigend!

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Ehrlich gesagt - nicht viel...
Das ist jetzt nicht so negativ gemeint, wie es sich im ersten Moment anhört. "Die" Politik ist schlichtweg mit der Vielfältigkeit der Aufgabenbereiche überfordert, unerfahren in solchen Belangen und durch den (sonst so guten) Föderalismus in der Handlungseinheitlichkeit und Außendarstellung gehemmt! Ich wollte gegenwärtig wirklich kein Politiker sein...
Aber was ich für die Zukunft wirklich erwarte, ist, dass man aus dieser Situation lernt - in allerlei Hinsicht! Ich weiß nicht, warum es so schwer ist, für mehr soziale Gerechtigkeit durch gerechtere Entlohnung und Besteuerung zu sorgen und somit den sozialen Frieden zu sichern. Bildung, und in diesem Umfeld auch die Kultur, ist die Grundlage für eine selbstreflektierende Gesellschaft - es ist nicht wichtig, was und wieviel du kaufst, sondern dass du dazu in der Lage auf Basis deines Wissens und deines Geistes vernunftbasierte Entscheidungen zu treffen. Dafür die Grundlagen zu schaffen - das erwarte ich von der Politik!!!


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