4 Fragen an Giuseppina Tragni


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Von der künstlerischen Arbeit ist kaum noch etwas übrig. Vielmehr geht es darum, alles „coronakonform“ zu machen, um dann wieder gefühlt gar nichts machen zu können. Manchmal entsteht das Gefühl der Sinnlosigkeit, auch wenn ich meistens eine innere Notwendigkeit verspüre, nach Möglichkeiten zu suchen und die „Ärmel hoch zu krempeln“. Ich mache mir viele Gedanken und bin mit Dingen beschäftigt, die wenig mit Kunst zu tun haben. Als Theaterpädagogin und Regisseurin vermisse ich die intensive Arbeit mit den Menschen, mit den Kindern und Jugendlichen. Ich suche weiterhin nach Möglichkeiten, in Kontakt zu bleiben und trotz der maßlosen Einschränkungen eine künstlerische Form zu finden. Die digitalen Möglichkeiten sind interessant, spannend und vielfältig, ersetzen aber nicht die Intensität, die im gemeinsamen Diskurs über Themen und im Ausprobieren auf der Spielfläche miteinander entstehen.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Für Solo-Selbständige gab es keine großen Hilfspakete, auf die ich hätte zugreifen können. Die funktionieren zum größten Teil für Angestellte, die Kurzarbeitergeld bekommen oder für Selbständige, die aufgrund von Mieten und Spesen einen Anspruch haben. Aber was passiert mit der freien Szene, die nicht über eigene Räumlichkeiten verfügt? Die von Aufträgen lebt? Die das Büro zuhause hat?
Ich habe von SPEYER.KULTUR.SUPPORT zweimal eine Fördersumme von 500 € erhalten. Gerettet hat sie mich nicht, aber sie trägt auf jeden Fall dazu bei, Kunst und Kultur in unserer Stadt als wichtiges Gut zu sehen. Insgesamt wurde sehr leichtfertig und stillschweigend mit dieser Szene umgegangen. Lange wurde nicht über die vielen Selbständigen in der Branche gesprochen. Das hat etwas mit mir, mit uns gemacht.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Die Gefahr besteht, dass gerade die kleinen Kulturstätten und freien Kunst- und Kulturschaffenden die Krise nicht überstehen werden. Seit März sind wir nun im kulturellen Lockdown und ein Ende ist nicht in Sicht. Diese Zeit wird Spuren hinterlassen. Wir können nicht alles, was wir verpasst haben, nachholen. Wie werden die Menschen nach der Krise die kulturellen Angebote annehmen? Wie lange müssen wir noch mit eingeschränkten Besucherzahlen leben, die natürlich auch weniger Einnahmen bedeuten? Können sich Menschen, die die Krise finanziell nicht so gut überstanden haben, Kultur überhaupt noch leisten? 

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Kultur ist nicht nur Bildung, sondern auch soziale Bildung, die im Miteinander entsteht. Sie setzt sich mit gesellschaftlichen Themen auseinander, die die Welt bewegen. Das ist der Grund, warum ich Kunst mache und warum die Arbeit mit Menschen, egal welchen Alters, so wertvoll für mich ist. Ich hoffe, dass nach Corona die Städte und Kommunen, die ganz sicher sparen müssen, nicht wieder an erster Stelle an der Kultur einsparen. Kultur ist Begegnung und Pflege für die Seele. Sie darf nicht weniger wichtig sein als die Wirtschaft. Darüber hinaus sollte man Menschen mit geringem Einkommen die Teilhabe an Kultur ermöglichen. Man könnte auch Projektgelder vergeben, die den Künstler*innen eine Perspektive schenken. Kreative Arbeit sollte nicht nur „großen“ Künstler*innen, sondern auch Kleinkünstler*innen ermöglicht werden. Warten, dass alles so ist wie vor der Krise, ist für mich keine befriedigende Perspektive.