Vier Fragen an Kai Kraus


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Nicht nur bei mir selbst, sondern auch bei den Menschen, mit denen man sich unterhält, bemerkt man eine unterschiedlich ausgeprägte Stimmungsveränderung. Es vermischt sich die Sehnsucht nach Normalität mit der Sorge, sich oder andere zu infizieren. Dadurch, dass nun jeder stärker auf sich selbst zurückgeworfen wird, kommen andere Themen in den Fokus, was auch seine Vorteile haben kann. Ich versuche, das Beste aus der Situation zu machen und habe mich vermehrt Projekten gewidmet, die länger liegengeblieben sind, beispielsweise die Arbeit an einem neuen Roman oder das Songwriting. Dies funktioniert jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt, an dem einem der Ausgleich und die Energie fehlt, die man aus der Begegnung mit anderen ziehen kann; beim geselligen Zusammensein und vor allem auch bei Veranstaltungen. Als Kulturschaffender aktiv zu sein bedeutet nämlich auch, seine Kunst vor Publikum zu präsentieren, und gemeinsam eine schöne, im besten Fall inspirierende Zeit zu verbringen. Ich habe gemerkt, dass Online-Konzerte oder -Lesungen für mich nicht die gleiche Wirkung erzielen. Die enge Verbindung, die während einer Veranstaltung zwischen Künstlern und Publikum entstehen kann, ist nicht ersetzbar. Zeiten wie diese führen uns das unerbittlich vor die Augen, wodurch man diese Tatsache vielleicht aber auch wieder mehr zu schätzen lernt.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Ich bin durch meinen Job außerhalb der Kulturbranche finanziell nicht auf meine kreative Tätigkeit angewiesen. Daher will ich mir selbst kein Urteil über die Wirksamkeit der Hilfspakete erlauben. Wie sehr andere jedoch unter den Folgen der Krise zu leiden haben, bleibt mir nicht verborgen. Ich sehe aus nächster Nähe, wie leidenschaftliche Künstler und Künstlerinnen, aber auch Bekannte aus der Gastronomie und Veranstaltungsbranche, die eben diesen immer wieder eine Bühne geboten haben, auf einmal um ihre Existenz bangen. Ich nehme bei direkt betroffenen Personen einen gewissen Frust wahr, was teilweise Umfang und Schnelligkeit der Hilfen betrifft, aber auch, was die politische und gesellschaftliche Bewertung ihrer Tätigkeit angeht. Es wird oft vergessen, dass die Veranstaltungs- und Kulturbranche ein großer, wichtiger Wirtschaftssektor ist, der nicht zuletzt dadurch gekennzeichnet ist, kulturelle Vielfalt zu schaffen und den Menschen Mut und Hoffnung zu geben. Ist das nicht zuletzt das, was uns Krisen im Allgemeinen besser ertragen lässt? Trotzdem hat es keine Branche so hart getroffen wie diese. Es ist bitter, das zu beobachten.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Ohne stärkeres politisches Interesse wird sich aus meiner Sicht langfristig wenig ändern. Umso wichtiger sind Initiativen wie diese, um das Spotlight auch einmal auf diese Bühne zu werfen.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Ich hoffe und erwarte, dass die Politik umdenkt und der Kreativwirtschaft endlich den Platz einräumt, den sie verdient. Wenn eine derart wichtige Branche strauchelt, sollte es eine politische Selbstverständlichkeit sein, zu unterstützen. Und das, ohne zu zögern. Vielmehr noch wünsche ich mir allerdings eine Debatte, wie man die richtigen Rahmenbedingungen schaffen kann, die es den Akteuren ermöglicht, sich gegen solche Krisen und die immerwährenden Existenzängste ein stückweit selbst zu wappnen. Andere Länder sind da schon weiter, wenn man beispielsweise an die Musikindustrie in Großbritannien denkt. Dort wurde die kulturell repräsentative Strahlkraft und wirtschaftliche Bedeutung längst erkannt und wird auch politisch nicht mehr angezweifelt.


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