Vier Fragen an Sabrina Albers


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Mir ist bewusst geworden, wie kostbar und wichtig die Begegnung mit anderen Menschen und wie selbstverständlich der Umgang mit ihnen für uns ist. Durch die Pandemie habe ich zwar mehr Zeit und kann liegengebliebene Arbeit erledigen, aber der Input anderer Menschen fehlt mir wahnsinnig und ohne kann ich kaum kreativ arbeiten. Die Ideen für meine Texte ziehe ich aus dem Austausch mit meinen Mitmenschen, über das Telefon allein, kann das nicht eingefangen werden. Außerdem fehlen die Lesungen und die Veranstaltungen sehr. Seit März wurden alle Planungen und Auftritte gecancelt. Während der Lockerungen im Sommer konnten wir zwar wieder zurück auf die Bühnen, doch langfristig planen konnten wir nicht. Ich bewundere andere Kulturschaffende, die über Streams den Kontakt zu ihrem Publikum halten und uns alle dadurch weiterhin mit ihrer Kunst erfreuen. Mir persönlich fällt das schwer, da die Reaktion und Stimmung vom Publikum fehlt. Eine kleines Lachen aus der hinteren Ecke, ein Nicken oder das Gespräch am Ende einer Lesung – davon leben wir genauso wie von den Honoraren und Gagen.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Ich habe das Glück, dass ich nicht auf die Hilfen angewiesen bin, da ich seit drei Jahren einen »Brotjob« habe, der meine Fixkosten abdeckt. Andernfalls stünde ich vor einem großen Problem, da ich zuvor als Solo-Selbstständige, die in Rheinland-Pfalz wohnt und arbeitet, keine Unterstützung bekomme hätte. Meine Wohnung ist mein Büro, ich schreibe oft auch im Café – mein Computer, Telefon, Mikrophon und anderes Equipment sind mein Eigentum und keine Leasing-Artikel. Somit hätte ich keinen sogenannten Sach- und Finanzaufwand und da  Rheinland-Pfalz keine Corona-Hilfe für die Lebenshaltungskosten oder Miete von Solo-Selbstständigen vergibt, hätte ich an meine Altersvorsorge gemusst, um die Honorareinbußen von März bis jetzt kompensieren zu können.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Die Auswirkungen werden meiner Meinung nach sehr groß sein. Im Kulturbereich sind wir stark voneinander abhängig und viele kommen nun an ihre existentiellen Grenzen. Kleine unabhängige Veranstaltungsräume werden dauerhaft schließen, denen nun langsam das Geld ausgeht. Damit gehen Auftrittsmöglichkeiten verloren und es wird weniger Bühnen für Künstler*innen geben. Außerdem ist bei vielen von uns das Selbstbewusstsein angeknackst. Wir hatten volle Terminkalender und arbeiteten an Projekten bis wir erfahren haben, dass wir nicht relevant sind, unsere Planungen auf Eis legen sollen und dafür kaum Ausgleichszahlungen erhalten. Wir werden Mut, Hoffnung und Vertrauen benötigen, um Veranstaltungen zu planen und Mitstreiter*innen zu finden, die sich darauf einlassen. Auch wenn wir die Bühnen und den Austausch vermissen, wird es anders sein zurückzukommen.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Meine Erwartungen an die Politik richten sich nicht an eine Zeit nach Corona, sondern an jetzt. Wir sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und unser Tun hat Auswirkung auf andere: es entstehen Jobs, es werden Steuern und Abgaben bezahlt und durch unser Angebot machen wir Städte und Kommunen attraktiver und lebenswürdiger. Der Winter beginnt erst noch und wir werden nicht am 31. Dezember 2020 in eine Zeit ohne Pandemie starten. Die Infektionszahlen sind nach wie vor hoch und wenn man die Situation genau betrachtet, wird man feststellen, dass es bis zum Frühjahr nicht unbedingt eine Besserung geben wird. Bis dahin können aber Kulturschaffende, die Veranstaltungsbrache und die Gastronomie nicht von warmen Worten und Solidaritätsaufrufen leben. Es kann auch nicht sein, dass Menschen, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können, damit die Pandemie besser eingedämmt werden kann, wie Bittsteller behandelt werden oder Grundsicherung beantragen müssen. Kunst und Kultur trägt uns Menschen durch Zeiten der Trauer und der Freude. Musik, Geschichten, Filme und Bilder zerstreuen uns nicht nur - wir lernen dadurch, erfahren, setzen uns auseinander, verstehen und reiben uns daran. Kurz: das macht uns zum Menschen. Die Politik sollte also die gewünschte Solidarität auch an Kulturschaffende zurückgeben und diese nicht nur einfordern. 


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